P2P-Kredite: Nichts als substanzloses Marketing? Eine kritische Betrachtung
Peer-to-Peer Kreditmarktplätze verkaufen ihre Darlehen als „Kredit von Privat“.
Ein Blick hinter die Kulissen des Geschäftsmodells offenbart: Mit einem Kredit von Privat haben die Plattformen wenig zu tun. Die sozialromantische Aufmachung dient lediglich dem Nischenmarketing.
Die meisten Menschen denken bei „Crowdlending“ an eine Plattform, über die Privatpersonen Geld an andere Privatpersonen oder kleine Unternehmen verleihen.
Davon sollen beide Seiten profitieren: Kreditnehmer sollen Darlehen einfacher und zu günstigeren Konditionen und Anleger höhere Zinsen als im Einlagengeschäft erhalten. Die beiderseitigen Vorteile, so heißt es, refinanzierten sich aus dem Wegfall der Bankmarge.
Um zu verstehen wie P2P-Kredite wirklich funktionieren, ist ein Blick in die Geschäftsbedingungen der Plattformbetreiber notwendig. Bis auf einige Details sind sich die verschiedenen Anbieter hier recht ähnlich.
In den AGB von Auxmoney etwa heißt es:
Das allein ist wenig überraschend, weil das Kreditwesengesetz die Kreditvergabe Banken mit entsprechender Lizenz vorbehält. Deshalb wird eine Bank in den Prozess eingebunden.
Die Crowdlending-Branche stellt die Rolle der involvierten Bank gerne als rein formale Angelegenheit dar. Diese oberflächlich vertretene Darstellung ist ebenso zu hinterfragen wie die Rolle der Plattformen selbst: Wenn diese keine Kredite vergeben, welche Funktion erfüllen sie dann?
In beiden Fällen hilft wiederum ein Blick in die Geschäftsbedingungen. Dort heißt es z. B. bei Auxmoney, dass ein Kreditsuchender nach Zustandekommen seines Kreditprojekts einen entgeltlichen Vermittungsvertrag abschließt:
Auf der Basis dieses Vertrages bemüht sich die Plattform dann:
Das bedeutet zunächst, dass die Finanzierung eines Kreditprojektes keinen Rechtsanspruch auf die Auszahlung eines Darlehens begründet, obwohl Anleger an ihre Gebote gebunden sind.
Nur wenn die Bank zustimmt, kommt es zur Kreditvergabe. Und in der Tat versendet die Bank auch den Darlehensvertrag.
Bank, Vermittler und Factorer sind eingebunden
Neben der Bank und der Plattform als Darlehensvermittler ist noch eine weitere Partei in den Kreditvergabeprozess eingebunden, wie aus den Geschäftsbedingungen hervorgeht:
Bei dem Partnerunternehmen handelt es sich um einen Factorer.
Mit diesen Informationen lässt sich skizzieren, wie die Kreditvergabe von Statten geht:
- Im ersten Schritt geben die Anleger eine für sie selbst verbindliche Gebotserklärung ab.
- Im zweiten Schritt fragt die Plattform bei der Bank an, ob eine Kreditvergabe an den Kreditnehmer möglich ist.
- Bejaht die Bank dies, vergibt Sie den Kredit und verkauft die Forderung umgehend an den Factorer weiter.
- Der Factorer wiederum reicht die Forderungen an die Anleger weiter.
Welche Parteien verdienen an welcher Stelle ihr Geld?
Für das Verständnis des Geschäftsmodells ist es hilfreich zu verstehen, welche der involvierten Parteien an welcher Stelle ihr Geld verdient.
Im Hinblick auf die Plattform lässt sich das leicht feststellen: Die Plattform tritt rechtlich als Kreditvermittler auf und erhält eine Provision für erfolgreich vermittelte Kredite.
Für die Rolle von Bank und Factorer ist ein Blick aufs Detail notwendig.
Angenommen, es wird ein Nettokreditbetrag von 10.000 Euro finanziert. Verlangt die Plattform eine Vermittlungsgebühr in Höhe von 5 Prozent, müssen Anleger demnach 10.500 Euro investieren, damit das Projekt der Bank „vorgestellt werden kann“. 500 Euro davon entfallen auf die Vermittlungsgebühr der Plattform.
Zahlt die Bank den Kredit aus, hat sie in diesem Moment eine Forderung an den Kreditnehmer, die sich aus Zins und Tilgung zusammensetzt. Bei einem Nettokreditbetrag von 10.000 Euro, sechs Jahren Laufzeit und einem Effektivzins von 12 Prozent summiert sich beides zusammen auf ca. 13.850 Euro.
Bereits am Tag vor der Auszahlung des Kredits hat die Bank die Forderung an das Factoring-Unternehmen weiterverkauft. Zahlt der Factorer z. B. 10.500 Euro, hat die Bank 500 Euro verdient, ohne eigenes Kapital einzusetzen oder irgendwelche Risiken einzugehen. Kommt es zu Kreditausfällen, wird dadurch nicht die Bilanz der Bank belastet – lediglich Mahnbriefe muss das Institut ggf. trotzdem noch verschicken.
Der Factorer wiederum erhält 10.000 Euro aus den Einzahlungen der Anleger und finanziert die verbleibenden 500 Euro aus eigenen Mitteln. Die Mittelrückflüsse muss er sich in der Folge mit den Anlegern teilen.
Zahlt der Kreditnehmer einen Zins von 12 Prozent und erhalten Anleger einen Zins von 8 Prozent, ergeben sich bei 10.500 Euro Kreditbetrag (die Vermittlungsgebühr wird ebenfalls finanziert) und sechs Jahren Laufzeit 3.850 Euro Zinsforderungen gegen den Kreditnehmer und 2.650 Euro Zinsansprüche der Anleger. Die Differenz in Höhe von 1.200 Euro kann prinzipiell dem Factoring-Unternehmen zufließen.
Das Ausfallrisiko des Factorers beschränkt sich auf den Teil der Mittelzuflüsse, die nicht den Anlegern zustehen. In der Regel dürfte deshalb auch unter Berücksichtigung der mitunter langen Laufzeiten der Kreditverträge eine ansehnliche Rendite anfallen – vor allem gemessen an dem geringen Eigenkapitaleinsatz des Factorers. Damit der Factorer verliert, müsste es zu extrem hohen Kreditausfällen kommen.
Anleger stellen den wesentlichen Teil des Geldes zur Verfügung und tragen den wesentlichen Teil des Risikos. Trotzdem fällt ihre Rendite nicht ansatzweise so hoch aus wie die von Bank und Factorer.
Dass P2P-Kredite, jedenfalls bezogen auf das in Deutschland praktizierte Modell, zum Wegfall der Bankmarge bzw. der Marge Dritter führen, ist in diesem Kontext widerlegt - auch wenn die Zusammensetzung des obigen Zahlenbeispiels in der Praxis etwas anders ausfallen kann.
Was bringt Crowdlending Anlegern und Kreditnehmern wirklich?
Ein gerne vorgetragenes Argument lautet, Crowdlending ermögliche Kredite zu günstigeren Konditionen und erschließe einen Kreis von Adressaten, der ansonsten von der Kreditvergabe ausgeschlossen sei.
Beides scheint nicht zuzutreffen.
Dass die Konditionen günstiger als bei Bankkrediten sind, lässt sich nicht belegen. Im Gegenteil: Das Bild auf den Plattformen wird häufig von Kreditprojekten mit Zinssätzen auf Dispokredit-Niveau bestimmt.
Zur Kreditwürdigkeitsprüfung ziehen die Plattformen und die involvierten Banken Auskünfte von der SCHUFA, sowie Selbstauskünfte mit Einkommensnachweisen heran. Das Prozedere unterscheidet sich damit nicht von dem konventioneller Kreditvergabepraktiken. Schon deshalb ist ausgeschlossen, dass Crowdlending objektiv betrachtet Kredite ermöglicht, wo ansonsten keine Zusage infrage kommt.
Für Kreditnehmer ergibt sich ein zusätzlicher Nachteil: Bis zur Auszahlung eines P2P-Kredits dauert es leicht 2-3 Wochen und damit deutlich länger als bei Banken.
Anleger erhalten je nach Projekt dagegen tatsächlich sehr viel höhere Zinsen als mit Tagesgeld oder Festgeld. Der Vergleich ist aber unzulässig, weil das Ausfallrisiko um ein Vielfaches höher ist. Selbst ein gut diversifiziertes Portfolio aus vielen Kreditprojekten ist nur mit einem Investment in Hochrisikoanleihen vergleichbar. Anders als Anleihen sind die Kreditforderungen allerdings nicht handelbar – ebenso wie die stückweise Rückzahlung in Raten ein weiterer Nachteil.
Wenn Kreditnehmer Darlehen weder günstiger noch einfacher und Anleger keine angemessene Rendite erhalten, stellt sich die Frage, was vom ursprünglichen Gedanken des Peer-to-Peer-Prinzips am Ende übrig bleibt.
Jedenfalls drängt sich der Eindruck einer Marketingstrategie auf: Das ausgefallene Konzept soll einer Marktnische den Weg ebnen. Der Nachweis einer substanziellen Bereicherung des deutschen Kreditmarktes steht jedenfalls noch aus.
Die Branche ist am Zug.