SCHUFA-Scoring: So bewertet die Auskunftei Ihre Bonität
Der SCHUFA-Score entscheidet de facto darüber, ob Banken einen Kreditantrag annehmen oder nicht. In die streng geheimen „Ratings“ fließen nicht nur Daten zum bisherigen Vertragsverhalten, sondern mitunter auch zum Wohnumfeld ein.
Wie genau funktioniert das Scoring? Was bedeuten die Scores? Lassen sich die Einstufungen beeinflussen?
Diese und weitere Fragestellungen sollen nachfolgend beantwortet werden.
Wie funktioniert das Scoring?
Die Bewertungen von Ratingagenturen sind aus geläufigen Gründen einem großen Teil der Bevölkerung vertraut: Agenturen wie S&P bewerten die Kreditwürdigkeit von Staaten und börsennotierten Großunternehmen.
Das Rating dient als Entscheidungsgrundlage für einzelne Investoren und ganze Märkte: Ist der aktuelle Zinssatz gemessen am übernommenen Risiko hoch genug? Ist das Risiko für eine Investition gar zu groß und sollte deshalb der Kauf von Aktien eines bestimmten Unternehmens unterbleiben?
Vor diesen Fragestellungen stehen auch Banken im Massenkreditgeschäft: Um Kreditentscheidungen treffen zu können, müssen zu einem potenziellen Kreditnehmer möglichst genaue Informationen über das Kreditausfallrisiko eingeholt werden.
Die Praxis des Kreditgeschäfts erfordert zugleich eine möglichst standardisierte und kostengünstige Information. Diese stellen Auskunfteien in Form von Scorewerten zur Verfügung.
Die Aufgabenstellung bei der Entwicklung eines Scorewertes besteht darin, mithilfe mathematischer und statistischer Methoden einen aussagekräftigen Zusammenhang zwischen den zu einer Person vorliegenden Daten und der Ausfallwahrscheinlichkeit herzustellen.
Vereinfacht dargestellt könnte ein Score wie folgt entwickelt werden: Von 500.000 Personen, die in den zurückliegenden zwölf Monaten mehr als einmal ihr Girokonto gewechselt haben und zugleich mindestens zwei laufende Kredite bedienen mussten, wiesen 8 Prozent eine Zahlungsstörung auf.
In der Praxis spielen Vergleichsgruppen eine große Rolle: Verbraucher werden anhand ihrer Merkmale (Anzahl laufender und früherer Kredite, Anzahl bestehende Konten, Zahlungsstörungen etc.) einer größeren Gruppe von Verbrauchern und deren Ausfallwahrscheinlichkeit zugeordnet.
Auskunfteien wie die SCHUFA berechnen Scorewerte tagesaktuell und berücksichtigen neu eintreffende Daten sofort.
Welche Daten fließen in den Score ein?
Die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung mit Sitz in Wiesbaden ist nicht die einzige, aber für das Kreditgeschäft mit großem Abstand relevanteste Auskunftei in Deutschland.
Die SCHUFA Holding AG behauptet über sich selbst:
Über die genaue Zusammensetzung ihrer Scorewerte schweigt sich die Auskunftei aus. Die Datenbasis als solche wird aber offengelegt:
Informationen zu Beruf, Einkommen, Vermögensverhältnissen und personenbezogenen Daten wie z. B. Nationalität sind allerdings nicht Gegenstand des Scoring-Verfahrens.
Die Datenbasis allein erlaubt allerdings keine Rückschlüsse auf die genaue Zusammensetzung der Scores. Für eine detailliertere Betrachtung wären insbesondere die Gewichtung der einzelnen Merkmale und die Vergleichsgruppen, denen ein Verbraucher zugeordnet wird, interessant.
Die SCHUFA beruft sich in diesem Punkt allerdings auf ihr Geschäftsgeheimnis und wurde in dieser Auffassung im Jahr 2014 durch den Bundesgerichtshof bestätigt. Eine Verbraucherin hatte Auskunft über das Zustandekommen ihres Scorewertes verlangt.
Der SCHUFA-Basisscore und der SCHUFA-Branchenscore
„Den“ SCHUFA-Score gibt es nicht. Die Auskunftei berechnet diverse Scorewerte für unterschiedliche Vertragspartner.
Eine wichtige Unterscheidung betrifft den Basisscore und die Branchenscores. Letztere werden in verschiedenen Versionen u.a. für Banken, Sparkassen, Spezialkreditinstitute und Automobilbanken berechnet.
Der Basisscore wird Verbrauchern seit einigen Jahren zur Verfügung gestellt, spielt aber in der Übermittlung an Vertragspartner keine Rolle.
Der Basisscore wird einmal pro Quartal berechnet und als Prozentwert von 100 angegeben, wobei hohe Werte für eine gute und weniger hohe Werte für eine schlechte Bonität stehen.
Scorewert | Risikoeinstufung |
---|---|
97,5 + | sehr geringes Risiko |
95 - 97,5 | geringes bis überschaubares Risiko |
90 - 95 | zufriedenstellendes bis erhöhtes Risiko |
80 - 90 | deutlich erhöhtes bis hohes Risiko |
50 - 80 | sehr hohes Risiko |
unter 50 | sehr kritisches Risiko |
Wichtiger, da aussagekräftiger als der Basisscore, sind die SCHUFA-Branchenscores.
Die SCHUFA hat für unterschiedliche Gruppen von Vertragspartnern unterschiedliche Scores entwickelt. Offenbar ist es gelungen, das Kreditausfallrisiko branchenspezifisch zu messen – womöglich weist die Merkmalskonstellation X für Automobilbanken auf eine andere Ausfallwahrscheinlichkeit hin als für Direktbanken.
Die Branchenscores werden tagesaktuell ermittelt und sind auch im Rahmen einer SCHUFA Selbstauskunft erhältlich. Dabei werden auch die in den zurückliegenden zwölf Monaten angefragten und übermittelten Scorewerte mitgeteilt.
Es liegt auf der Hand, dass die Einschätzung von Risiken bei Zahlungen auf offene Rechnung im Handel anders bewertet werden müssen als jene bei einem Immobilienkredit. Doch die Unterscheidungen gehen sehr viel weiter: Es gibt eigene Scorewerte für Banken, Direktbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Spezialkreditinstitute, Leasinganbieter und Automobilbanken.
An dieser Stelle soll der Branchenscore für Banken (Version 3.0) beispielhaft betrachtet werden.
Rating | Scorewert | Risikoquote in Prozent |
---|---|---|
A | 9.863 – 9.999 | 0,80 |
B | 9.772 – 9.862 | 1,64 |
C | 9.709 – 9.771 | 2,47 |
D | 9.623 – 9.708 | 3,10 |
E | 9.495 – 9.622 | 4,38 |
F | 9.282 – 9.494 | 6,21 |
G | 8.774 – 9.281 | 9,50 |
H | 8.006 – 8.773 | 16,74 |
I | 7.187 – 8.005 | 25,97 |
K | 6.391 – 7.186 | 32,56 |
L | 4.928 – 6.390 | 41,77 |
M | 1 – 4.927 | 60,45 |
Rating | Scorewert | Risikoquote in Prozent |
---|---|---|
N | 4.112 – 9.999 | 48,47 |
O | 1.107 – 4.111 | 77,57 |
P | 1 – 1.106 | 96,08 |
Der Branchenscore Banken 3.0 ist mit einer Skalierung von 1 bis 9.999 Punkten ausgestattet, wobei höhere Zahlenwerte mit einem geringeren Risiko einhergehen. Daraus ermittelt die SCHUFA Ratingstufen von A bis P, wobei die Risikoquote in der Stufe A mit 0,80 Prozent am niedrigsten und in der Stufe P mit 96,08 Prozent am höchsten ist.
Verbraucher mit offenen Negativmerkmalen werden in die Stufen N bis P eingruppiert. Das bedeutet allerdings keinesfalls, dass die Stufen M und höher eine hinreichende Bonität bescheinigen.
Zum einen finden sich dort explizit auch Verbraucher mit erledigten Negativmerkmalen, deren Kreditanträge meistens abgelehnt werden, zum anderen liegt die Risikoquote deutlich über dem von der SCHUFA ermittelten Durchschnittswert von 2,5 Prozent.
Gute Chancen auf eine Kreditvergabe haben vor allem Verbraucher der Stufen A bis E, wobei „E“ bereits mit Risikozuschlägen einhergehen sollte.
Kann der Scorewert gezielt verbessert werden?
Die SCHUFA sieht in öffentlich bekanten Scorewerten ein Risiko für die Validität der Ergebnisse. Die Auskunftei beruft sich auf eine Studie, der zufolge die gezielte Einflussnahme von Privathaushalten auf ihre Scorewerte sogar eine Ursache der US-Subprime-Krise gewesen sein könnte.
Die SCHUFA begrüßt – nicht ganz überraschend – das Urteil des BGH zur Rechtmäßigkeit der Geheimhaltung und warnt vor Versuchen, Scorewerte durch bestimmte Maßnahmen zu verbessern.
Die SCHUFA selbst teilt zu einigen Tatbeständen mit, dass es sich um Positivmerkmale handele. Darunter fallen z. B.
- Vollständig zurückbezahlte Kredite
- Lange bestehende Vertragsbeziehungen
Meldungen über Kredite bleiben drei Jahre nach der vollständigen Rückzahlung gespeichert. Es ist intuitiv nachvollziehbar, dass Personen mit erfolgreich zurückgezahlten Krediten ceteris paribus ein geringeres Ausfallrisiko zugeschrieben wird als Verbrauchern ohne jegliche Kredithistorie.
Lange bestehende Vertragsbeziehungen sind ebenso nachvollziehbar ein Indiz für Vertragstreue – und zugleich gegen gezielte Einflussnahme weitgehend gefeit.
Im Internet kursieren diverse Gerüchte über Möglichkeiten zur Verbesserung des Scores. Einfluss auf die Scorewerte wird den folgenden Sachverhalten nachgesagt:
- Zu viele Kreditkarten mit Kreditrahmen
- Kleine Kredite mit langer Laufzeit (Point-of-Sale Finanzierungen)
- Zu häufiger Wechsel des Girokontos
- Bestellungen bei klassischen Versandhäusern
Einige Tatbestandsmerkmale können als eng verwandt mit den Einkommensverhältnissen gelten – für Kreditkarten mit Teilzahlungsoption liegt dies ebenso auf der Hand wie für die häufige Inanspruchnahme kleinerer Kreditbeträge.
Wer viele Kreditrahmen nutzt und allgemein häufig auf Raten zahlt, wird vermutlich rein empirisch betrachtet nicht ganz zu Unrecht einer Vergleichsgruppe mit höherem Kreditausfallrisiko zugeordnet. Dasselbe mag für eine rege Wechselbereitschaft im Hinblick auf Zahlungsverkehrskonten gelten.
Ob die Bestellung auf offene Rechnung bei bestimmten Versandhäusern die Bonität verschlechtern kann, ist dagegen ungewiss.
Denkbar ist dies durchaus: Die SCHUFA erfährt nicht nur, dass ein Kundenkonto bei einem Versandhaus eröffnet wurde, sondern auch, bei welchem. Möglicherweise nutzen Kundengruppen mit erhöhtem Risiko für das Auftreten von Zahlungsstörungen verstärkt ganz bestimmte Versandhandelsangebote.
Geoscoring
Ein Zusammenhang zwischen bestimmten Merkmalen einer Person und dem Risiko eines Zahlungsausfalls lässt sich nicht nur anhand von Informationen zu bestehenden und früheren Verträgen herstellen.
Auch Daten zum mehr oder minder privaten Umfeld einer Person können dazu herangezogen werden. Im Rahmen des so bezeichneten „Geoscoring“ spielen insbesondere Daten zum Wohnumfeld eine Rolle.
Im Hinblick auf Datenschutz und einige weitere Aspekt ist das Verfahren nicht ganz unproblematisch, der statistische Zusammenhang ist jedoch nicht von der Hand zu weisen: Wohnen Sie in einer Gegend, in der sehr viele Ihrer Nachbarn in Zahlungsschwierigkeiten sind, zahlen Sie statistisch betrachtet Rechnungen und Co. häufiger nicht als Bewohner einer „guten“ Gegend.
Auskunfteien können im Rahmen des Geoscorings verschiedene Daten auswerten:
- Daten von Kfz- und Hausratversicherungen
- Informationen zu Zahlungsstörungen an einer Adresse oder in einer Straße
- Informationen zur Altersstruktur, zu Kriminalität und zum Bildungsgrad
Die SCHUFA nutzt eigener Darstellung zufolge Geodaten nur im Ausnahmefall und auf Wunsch ihrer Vertragspartner.
Die Auskunftei verweist auf ihren großen Datenbestand, der Geoscoring in mehr als 99 Prozent der Fälle überflüssig mache:
Nach Darstellung der SCHUFA führt die Nutzung von Methoden des Geoscorings in diesem Fall eher dazu, dass es zu einem Vertragsabschluss kommt als zu einer Ablehnung:
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Auskunfteien nicht nur im Kreditgeschäft der Banken eine Rolle spielen. Um einen Kredit handelt es sich definitionsgemäß auch, wenn ein Unternehmen in Vorleistung geht und Ware auf Rechnung liefert.
Im klassischen Kreditgeschäft stehen den Banken zumeist umfangreichere Informationen zur Verfügung.
Die Bedeutung der Scorewerte für die Kreditvergabe
Die SCHUFA legt Wert darauf, de jure nicht für die Kreditentscheidungen ihrer Vertragspartner maßgeblich zu sein.
In den FAQ des Unternehmens für Privatkunden findet sich der Hinweis:
Das entspricht in der Tat der gängigen Praxis im Kreditgeschäft: Ein ausreichender SCHUFA-Scorewert ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine Kreditvergabe.
Die meisten Banken beginnen eine Prüfung des Kreditantrags erst nach dem Abruf der Scores und legen einen Schwellenwert fest, unterhalb dessen eine Kreditvergabe ausgeschlossen ist. Für Scorewerte innerhalb der Annahmekriterien können zugleich unterschiedliche Risikozuschläge festgelegt werden.
Welcher Scorewert „ausreichend“ ist, legt jede Bank in ihren Annahmekriterien fest.
Insofern entscheidet die SCHUFA formal betrachtet nicht über den Vertragsabschluss. De facto verfügt die Auskunftei aber über ein Quasi-Monopol auf dem deutschen Markt für Bonitätseinstufungen. Den meisten Banken wäre es nicht möglich, einen vergleichbaren Datenbestand in Eigenregie aufzubauen.