Der mangelhafte Kreditvergleich der Stiftung Warentest
Die Stiftung Warentest hat Anfang März die Konditionen von Ratenkrediten zahlreicher Banken untersucht. Die Verbraucherschützer raten Kreditnehmern zu einem Vergleich und konstatieren ein „riesiges Sparpotenzial“.
Dass der Vergleich verschiedener Konditionen sich für Kredite lohnt, überrascht nicht: Manche Banken verlangen weniger als 4 Prozent, andere mehr als 8 Prozent für einen Ratenkredit mit mittlerer Laufzeit an einen Kreditnehmer mit durchschnittlicher Bonität.
Die Analyse von „Finanztest“ zeigt aber auch, welche Tücken in jedem Vergleich lauern und dass bestimmte Analysemuster der Verbraucherschützer überholt sind.
Unter dem Titel “Sparen Sie richtig viel Zinsen mit dem besten Darlehen“ preist die Stiftung Warentest ihren Kreditvergleich an. Für 4,90 Euro können Sie die „Testergebnisse“ dieses redaktionellen Meisterwerks für einen Monat freischalten.
Sie finden eine wilde Auflistung von Zinssätzen, aufgeteilt in Kreditsummen von 5.000, 10.000 und 20.000 Euro zu den jeweils verfügbaren Laufzeiten. Nach wichtigen Produktinformationen wie z. B. Konditionen für Sonderzahlungen, Ratenpausen, weiteren Gebühren oder Annahmerichtlinien etc. muss vergeblich gesucht werden.
Und während viele wichtige Anbieter gar nicht erst aufzufinden sind (beispielsweise Younited, easyCredit, Consors Finanz, Qlick uvm.), werden identische Whitelabel-Produkte unter den unterschiedlichen Markennamen gelistet.
Neben Ratenkrediten ohne Zweckbindung finden sich noch einige weitere Darlehensarten wie Baufinanzierungen oder Modernisierungskredite in der Datenbank - eine Filtermöglichkeit für die unterschiedlichen Produktgruppen wird jedoch nicht geboten.
Sie können jedoch nach dem Namen des Anbieters filtern oder nur bonitätsabhängige bzw. bonitätsunabhängige Angebote anzeigen lassen. Sehr hilfreich!
Selbst das sortieren nach Zinssätzen ist nicht möglich.
Die Annahmequote wird als Vergleichskriterium vernachlässigt
Kreditvergleiche unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von Vergleichen im Mobilfunk-, Energie- oder Zahlungsdienstebereich: Ob und unter welchen Bedingungen ein Vertrag zustande kommt, hängt wesentlich von individuellen Voraussetzungen des Vergleichenden ab. Die Angabe eines Zinssatzes ist deshalb ohne Aussagen zur Annahmequote nur bedingt sinnvoll.
Der Effektivzins ist nach wie vor das wichtigste Merkmal im Kreditvergleich. Er liefert aber nur dann eine sinnvolle Aussage, wenn seine Berechnung die Voraussetzungen des Antragstellers berücksichtigt – weil sonst entweder Risikozuschläge (ein anderer Zins) oder Leistungsausschlüsse (gar kein Kredit) zu erwarten sind.
Problematisch ist die Fokussierung auf niedrige und möglichst einheitliche Zinssätze vor allem für Interessenten mit nicht ganz optimaler Ausgangslage: Ein Nettoeinkommen unter 2.000 Euro, bestehende Kredite oder Unterhaltsverpflichtungen können reihenweise Absagen bei den prominent platzieren Banken nach sich ziehen.
Der Einheitszins wird überschätzt
Die Stiftung Warentest unterscheidet in ihrer Untersuchung – wie schon in früheren Tests – strikt zwischen „zwei Arten von Krediten“: Kredite mit einheitlichem Zinssatz für alle Kreditnehmer und Darlehen mit individueller Zinsfestlegung.
Für einen aussagekräftigen Vergleich würde es reichen, letztere mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Zweidrittelzins aufzulisten. Die Verbraucherschützer separieren dagegen die beiden Kreditarten voneinander.
An dieser Stelle sei deshalb ein Appell an die Stiftung Warentest und andere Marktbeobachter übermittelt: Es macht keinen Sinn, bonitätsabhängige von bonitätsunabhängigen Krediten zu unterscheiden, wenn sich die Unterscheidung auf die bloße Angabe der Bank beschränkt und sonst keine weiteren Informationen zur Verfügung stehen.
Jeder Kredit ist „bonitätsabhängig“ – sogar Kredite ohne SCHUFA werden nicht ohne Bonitätsprüfung ausgezahlt. Die Unterscheidung beschränkt sich notwendigerweise auf die Angabe der Bank zur Festlegung ihrer Zinssätze. Bei Krediten mit „bonitätsunabhängiger“ Verzinsung wird im transparentesten aller denkbaren Fälle eine Mindestbonität (gemessen an SCHUFA-Score und Einkommen) festgelegt.
Nur Antragsteller, die mindestens diese festgelegte Bonitätsgrenze erreichen, erhalten einen Kredit. Alle mit einer schlechteren Bonität erhalten eine Absage, auch wenn eine Kreditvergabe gegen moderate Risikozuschläge durchaus möglich wäre. Alle Kreditnehmer mit einer besseren als der Mindestbonität verzichten bei „bonitätsunabhängigen“ Krediten auf mögliche, bessere Konditionen.
Damit sind Kredite mit bonitätsunabhängiger Verzinsung allenfalls für Kreditnehmer fair, die exakt die Mindestbonität aufweisen. Alle anderen zahlen zu viel oder erhalten gar keinen Kredit.
Die Annahme, dass Banken eine Mischkalkulation ansetzen, ist nicht zutreffend: Die Kosten der Bonitätsprüfung unterscheiden sich in beiden Varianten nicht. Wo eine höhere Differenzierbarkeit von Kreditausfallrisiken technisch (auf Grundlage der SCHUFA-Scorewerte und des Einkommens) möglich ist, wird sie auch vorgenommen.
Keine Bank wird einem Verbraucher einen Kredit mit einer zu geringeren Risikoprämie gewähren, nur weil es eine Mischkalkulation so gebietet.
Vor allem wenn vermeintlich einheitliche Zinssätze sehr niedrig angesetzt werden, sollte ein Vergleich auch auf die Annahmequote eingehen. Diese fällt bei niedrigen, einheitlichen Zinssätzen naturgemäß niedrig aus.