Die Marotten der Kundschaft: Warum Filialbank-Kredite so teuer sind
Kredite bei Filialbanken können doppelt so teuer sein wie der günstigste Online-Kredit am Markt, und zwar für ein und denselben Antragsteller.
Natürlich ist der Abwicklungsaufwand für Filialbanken größer als bei Abschlüssen über das Internet. Der wesentliche Grund für die oft um Längen höheren Zinssätze sind aber die durchschaubaren Angewohnheiten der Kundschaft.
Banken verfolgen wie jedes andere private Unternehmen auch eine Preispolitik. Das Ziel: Gewinnmaximierung.
Gewinne lassen sich nur maximieren, wenn jeder Kunde den Preis bezahlt, zu dem er gerade noch bereit ist zu kaufen. Setzt das Unternehmen seinen Preis zu niedrig an, fällt der Erlös zu gering aus. Ein zu hoher Preis schreckt dagegen potenzielle Kunden ab.
Die Betriebswirtschaftslehre kennt für dieses Dilemma eine einfache Lösung: Skimming Pricing, zu Deutsch etwa „Abschöpfende Preisgestaltung“. Gemeint ist damit der Versuch, die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden voll auszureizen. Je besser einer Bank dies gelingt, desto höher fallen ihre Gewinne aus.
Der größte Vorteil von Filialbanken sind in diesem Punkt die Angewohnheiten ihrer Kundschaft. Deren Zahlungsbereitschaft ist in weitaus größerem Umfang am Preisaufschlag beteiligt als die Kostenstruktur der Bank.
Der Preis ist für Kunden von Filialbanken generell nicht das wichtigste Verkaufsargument - Kunden von Filialbanken schätzen namentlich bekannte Ansprechpartner und die Möglichkeit, jederzeit eine Filiale vor Ort aufzusuchen und die persönliche Betreuung in Anspruch zu nehmen.
Ein erheblicher Teil der Kundschaft ist bereits seit Jahren Kunde einer Bank - die Wechselbereitschaft infolge möglicher Kostenvorteile bei der Konkurrenz, Betriebswirte sprechen von der „Preiselastizität“ der Kunden, ist denkbar gering.
Neben der „Elastizität“ des Kunden ist ein zweiter Faktor bei der preispolitischen Optimierung für Filialbanken entscheidend: Das Selbstbewusstsein der Kunden.
Je weniger selbstbewusst ein Kunde ist, desto wahrscheinlicher unterschreibt er. Im Kreditgeschäft ist das besonders wichtig, weil sich ein erheblicher Teil der Kundschaft nicht sicher ist, ausreichend kreditwürdig zu sein.
Kunden von Filialbanken hoffen oft auf den „Faktor Mensch“. Durch die gute Beziehung zum Berater und seriöses persönliches Auftreten soll eine Zusage wahrscheinlicher werden.
Im Zeitalter von Auskunfteien und automatisierten Abläufen bei der Bonitätseinschätzung ein Irrglaube. Oft genug tippt der Berater die Kreditdaten in dieselbe Maske ein, die sich auch hinter der Website der Bank verbirgt.
Verschiedene Preise online und offline
Die Preisdiskriminierung, wie das Abschöpfen der individuellen Zahlungsbereitschaft auch genannt wird, ist bei Filialbanken mit großem Onlineangebot besonders offensichtlich – aber ebenso offenkundig wirksam.
Wenn eine Bank für einen Kredit im Internet 5 Prozent und für einen Kredit in der Filiale 8 Prozent verlangt, sollten Filialkunden die Probe aufs Exempel machen und von ihrem Berater die Konditionen des Online-Kredits verlangen.
Der Berater wird die Interessenten kaum mit leeren Händen gehen lassen - auch in den internen Vergütungsstrukturen der Banken ist eine Vermittlung an das eigene Online-Angebot immer noch deutlich besser als „kein Abschluss“.